Das schönste Geschenk

Sylvia hatte Tränen der Rührung in den Augen als sie das Päckchen in die Hand nahm, das Matthias ihr überreicht hatte. Das Paket war schwer, trotz seiner eher geringen Größe. Irgendwie ahnte sie bereits, was sich darin befinden könnte. Sie strich mit ihrer staubigen, blutigen Hand über die Verpackung. Das Papier war dreckig und abgenutzt. Nur an wenigen Stellen konnte man noch die glitzernden, grünen Tannenbäume erkennen, die einst auf das rote Papier gedruckt worden waren. Vor langer, langer Zeit.

„Pack es aus.“ verlangte Matthias lächelnd. In seinen Augen aber schimmerten Tränen. Trotzdem sah er in der untergehenden Sonne wunderschön aus. Auch wenn er sich – genau wie sie – seit Ewigkeiten nicht gewaschen hatte und seine Haare wie wildes Stroh vom Kopf abstanden. Sylvia nickte. Sie schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln.

„Natürlich.“ flüsterte sie beinah und begann knisternd und behutsam das dünne Papier zu zerreissen. Kurz darauf hielt sie ihr Geschenk in den Händen. Ihr Weihnachtsgeschenk, wie der Kalender behauptete. Ohne Plätzchenduft, Geschäfte und Musik war es schwer, sich das vorzustellen.

„Vielen Dank!“ sagte sie voller Rührung. Sie hatte nichts für ihn. Dafür schämte sie sich. Es schien ihr so egoistisch. Aber wahrscheinlich spielte auch das kaum mehr eine Rolle. Ihre Hände schlossen sich um den Gegenstand und hoben ihn gegen das schwindende, rötliche Sonnenlicht. Er war schwer und kalt. Nicht einmal schön. Aber dennoch ein Beweis unendlicher Liebe. „Ich liebe dich.“ sagte sie mit einer Mischung aus Melancholie und Dankbarkeit. Sie wechselten einen Kuss. „Ich dich auch“ antwortete Matthias. Dann lächelte Sylvia noch einmal mit der ganzen Wärme ihres Herzens. Und drückte ab.

Matthias betrachtete die letzte Sonnenstrahlen, während sie sich um ihn sammelten. Sie waren Hunderttausende. Millionen womöglich. Und jeder von ihnen stand für die Gewissheit eines qualvollen Todes. Dass er auf dem Dach stand, würde sie nicht aufhalten. Nichts konnte sie aufhalten. Er und Sylvia waren ohnehin die letzten und es hatte keinen Sinn mehr irgendwohin zu fliehen. Es gab kein wohin mehr. Sie waren überall. Er sah auf den friedlichen Körper seiner Geliebten hinab, die die Waffe noch immer umklammert hielt. Nur eine einzige Kugel. Aber was hätte er Sylvia sonst zu Weihnachten schenken können?

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