Kürbiskind

Die Erde schmiegt sich feucht und rau
an meiner Nägel Bett
Wie sie, liegt auch die Welt im Schlaf
Und tanzt ihr Traumballett

Der Herbst schickt seine Winde aus
Und Wolkenschauer giesst
Ich nehm die reife Frucht heraus
Und ernte, was dort spriesst

Ein kleines rundes Ding streckt sich
aus rotem Kürbisleib
Sein Blick gab mir oft Glück und Licht
Und ebensoviel Leid

Ich nehm es in die kalte Hand
So zart und neugebor’n
Und leg’s behutsam an ihr Haar
Gleich neben Hand und Ohr’n

Es war das letzte Kürbiskind,
das ich dem Boden stahl
Und meine saure Pflicht beginnt
Ein weit’res, süßes Mal

Ich setze fein und säuberlich
Den Sehnsuchtsleib instand
und ihre Form erneuert sich
So wie ich sie gekannt

Nun liegt sie da, mein teurer Fluch
Fast so als wär sie nie
Hinein gegang‘ ins Totenbuch
voll Angst und Agonie

Nur noch ein kleines, tiefes Loch
dort wo ihr Herz mal war
Hält sie von ihrer Rückkehr ab
Noch blickt ihr Auge starr

Dort fügt sich nichts, was wie der Rest
An reifen Früchten wächst
Ich stopf hinein Wachs, Laub, Geäst
und einen düst’ren Text

Jetzt hebt und senkt sich ihre Brust
Ihr totes Aug‘ entflammt
So gelb und rot wie Kerzenschein
Auf blutbeflecktem Samt

Ich schließ sie in die Arme ein,
So zittrig und verzagt
Nun wird sie wieder bei mir sein
Jetzt zähl ich jeden Tag

Ihr Haar riecht nach verbranntem Laub
Ihr Fleisch ist kalt und weich
Mit jedem Atemzug quillt Staub
Aus Lippen, rau und bleich

Und doch, wenn ihre Stimme spricht
Erwacht erneut die Zeit
In der wir jung und glücklich war’n
verzaubert und befreit

„Ich liebe dich“, haucht sie und klingt
so geisterhaft und dünn
Und alles in mir summt und singt
Ich geb mich restlos hin

Ganz engumschlungen, hautberührt
geh’n wir ins nahe Haus
So taumelnd, trunken, traumentführt
Füllt sie mein Denken aus

Sie wird an meiner Seite sein
Der Geist versprach es mir
Erst wenn der letzte Herbstwind weht
Bleibt nur noch Staub von ihr

Ich rief ihn an in größter Pein
Am Ende allen Glücks
Er stieg hinauf im blassen Schein
Gab Hoffnung mir zurück

Ich sollte Kürbissaaten säen
Von feinster, bester Art
Dann wächst aus Früchten, prall und schön
Ihr Körper jedes Jahr

Nur einen Preis hat er genannt
Der nicht ganz ohne ist
Ist erst ihr Flämmchen ausgebrannt
Wird bald schon wer vermisst

Die letzte Nacht, sie ist stets gleich
Sie flieht aus meinem Bett
Mein Kürbiskind so zart und bleich
Ist nicht mehr hübsch und nett

Alt und vertrocknet wütet sie
In der so nahen Stadt
Macht Jagd in blinder Euphorie
Und trinkt sich prall und satt

Am morgen ist mein Garten voll
von Fruchtfleisch und von Blut
Dann weiß ich, auch im nächsten Jahr
Wächst sie gesund und gut

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