Gütiger Mann


In langen dunklen Nächten hab ich es mir erträumt
Ein warmer, dichter Mantel von feinem Stoff gesäumt
Den Lohn für all die Tage, die brav ich ausgeharrt
Ein Hauch von goldnen Wundern, so liebevoll und zart

Man sagt, er wär nur Sage, ein Fantasiegespinst
Auf dass wir leichter tragen, den Schmerz, der auf uns grinst
Auf dass wir uns betragen und gute Kinder sind
Nie etwas Lautes sagen, so artig, treu und blind

Doch tief in mir da weiß ich, er lässt mich nicht allein
Ihn kümmern meine Wünsche, ihn interessiert mein Sein
In seinem dicken Buche, Mein Name ist notiert
Als ein geschätzter Bube, der würdig sich geriert

Er reitet durch die Nachtluft von Vierbeinern bewegt
Deren vereister Atem, sich um die Welt gelegt
Er hat für jedes Kindlein, ein goldenes Geschenk
Er endet jedes Leiden, verstummt jedes Gezänk

Er landet sanft und leise, in dieser schlimmen Nacht
Wo Vater mich geschändet und Mutter mich verlacht
So lange, viele Jahre in meiner schlimmen Welt
Die jeden Tag verfinstert und meine Seel‘ entstellt

Ich sehe seinen Schatten, durch mein verschwoll’nes Aug
Seh seine fahlen Rappen und seinen dürren Bauch
Vorbei an jenen Monstern, die mich zur Welt gebracht
Drängt er sich durch die Scheune und hält so gütig Wacht

Greift meine zitternd Hände, so narbig und entstellt
Und trennt mit meiner Sense, den Faden, der mich hält
Wiegt mich in seinen Armen, drückt mich an seinen Schoß
Mit mir hat er Erbarmen, ist gütig, schön und groß

Ich weiß, er gibt mir Heimat in seinem stillen Reich
Geborgenheit und Liebe und Decken, schwarz und weich
Dann nähert er sich den beiden, die mich so lang gequält
Sein Blick spiegelt mein Leiden als hätt ich*s ihm erzählt

Er spricht unhörbar leise, aus knochenbleichem Mund
Tut sanft auf seine Weise, sein hartes Urteil kund
In lieblose Gesichter weht ein pestschwang’rer Wind
Sie geben neues Leben, auch nun, ohne ihr Kind

Die winzigen Mikroben, sie bringen große Pein
Keine Gnad‘ kommt von dort oben, kein Trank wäscht sie je rein
Es wächst in ihren Leibern, frisst sich durch ihren Bauch
Und während wir entschwinden, weiß ich, er holt sie auch

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