Knochenwelt: Im Kaninchenbau

Irgendwie hatte Hexe damit gerechnet, in einem feuchten und kalten Erdloch zu landen. Umso mehr, da ihr Weg hinab tatsächlich durch einen stinkenden Tunnel voll toter schwarzer Erde geführt hatte. Als sie jedoch in Anschas Versteck ankam und mehr oder weniger hart auf dem Boden aufschlug, erblickte sie ziemlich das Gegenteil von dem, was sie erwartet hatte: Einen trockenen, sauberen, gemütlichen Raum, der vom einem behaglichen, warmen Lichtschein erhellt wurde.

In der Mitte des Raumes stand ein grob behauener Beintisch, der sie von seiner Machart ein wenig an die typischen Möbel in bayrischen Berghütten erinnerte. An jeder seiner Seiten befand sich ein ebenfalls aus Knochen bestehender Hocker, in den florale Symbole und Zeichen einer ihr unbekannten Sprache eingeritzt worden waren. An den Wänden aus festgeklopfter Erde lehnten sogar knöcherne Regale, in denen verschiedene, mit diversen Substanzen gefüllte Glasflaschen standen sowie Kästchen mit unbekanntem Inhalt und eine kleine Auswahl großer, schwerer Bücher. Auf dem Tisch und an einigen Halterungen an den Wänden befand sich eine Anzahl Kerzen, die einen scharfen, unangenehmen Geruch, aber wahrscheinlich auch das gemütliche Licht verströmten. Neben dem Tunnel, durch den Hexe hierhin gelangt war, gab es noch einen weiteren, größeren Ausgang zu ihrer Rechten und eine knöcherne Tür jenseits der Kopfseite des Tisches.

„Gemütlich, nicht?“, fragte Anscha, die lässig an einem der Regale lehnte. Der Zynismus ihrer Worte ging dabei weit über gewöhnlichen schwarzen Humor hinaus.

„Willst du mir nicht aufhelfen?“, fragte Hexe zurück, die noch immer auf dem Bauch in der dunklen Erde lag und ein dutzend neuer blauer Flecke spürte.

„Wenn das nötig wäre, wärst du mir nicht von Nutzen“, sagte Anscha herzlos.

„Wie überaus freundlich“, kommentierte Hexe, begann aber dennoch sich mit zitternden Armen in die Höhe zu kämpfen.

„Wenn du Freundlichkeit erwartest, bist du am falschen Ort“, sagte Anscha, „oder besser gesagt: Hier im Knochenwald gilt es schon als äußerst freundlich, wenn dich eine Fremde nicht umbringt.“

„Das klingt ja ermutigend“, ächzte Hexe, nachdem es ihr endlich gelungen war aufzustehen und schüttelte sich den Dreck aus den Haaren lockigen Haaren.

„Setz dich!“, forderte Anscha, die sich selbst den Stuhl am Kopfende zurückzog und sich mit einer grazilen Bewegung darauf fallen ließ.

Hexe gehorchte und setzte sich auf den gegenüberliegenden Stuhl. Der Knochen fühlte sich selbst durch ihre Hose hindurch eigenartig warm an.

„Bist du allein hierhergekommen?“, fragte Anscha.

Hexe überlegte fieberhaft, was sie darauf antworten sollte. Sie konnte wohl kaum erzählen, dass sie – wenn auch nicht so ganz freiwillig – mit einem Weisen des Gebeins hierhin gereist war. Wer wusste schon, wie Anscha auf diese Information reagieren würde. Andererseits …

„Wenn du so lange überlegen musst, ist die Antwort klar. Du bist NICHT allein gekommen und von demjenigen oder denjenigen, mit denen du hergekommen bist, willst du mir lieber nicht berichten. Stimmt’s?“, schlussfolgerte Anscha.

„Ich …“, druckste die überrumpelte Hexe herum.

„Du kannst es mir ruhig erzählen. Ich lebe lange genug an diesem Ort, um so ziemlich jede Form von Zwangslagen, ungewöhnlichen Bündnissen und moralisch fragwürdigen Entscheidungen erlebt zu haben. Solang du nicht dem gefühllosen Gott dienst, hast du von mir nichts zu befürchten“, versprach Anscha ruhig, während sie sich ein Stück vorbeugte, wie um Hexes Antwort besser verstehen zu können.

Was soll’s, dachte sich Hexe, sie hat eh schon das Meiste erraten. „Ich bin mit einem Weisen des Gebeins und einem Dorgat Nasra hierhin gekommen …“

Entgegen ihrer vorherigen Beteuerungen verzerrte sich Anschas junges Gesicht bei der Erwähnung dieser Wesen vor Wut.

„… jedoch nicht aus freien Stücken“, beeilte sich Hexe zu ergänzen, um die mysteriöse Frau nicht zu unüberlegten Handlungen zu verleiten.

„Erzähl mir mehr!“, forderte sie Anscha – jetzt schon etwas entspannter – auf.

„Ich und meine Freunde … wir … wir haben gemeinsam versucht, den Knochenwald aus unserer Welt zu vertreiben und das Tor zu schließen, welches Devon, einer der Weisen des Gebeins geöffnet hatte“, begann Hexe.

„Ich kenne Devon“, merkte Anscha an, „er ist nur ein vergleichsweise kleines Licht in den Reihen des Kultes, aber ich und meine Schwestern lassen keinen von ihnen aus den Augen. Auch habe ich bereits vermutet, dass ein Tor in die bunte Welt geöffnet wurde. Etwas in der Magie des Waldes hat sich verändert und die Weisen, wie auch die Markbleichen Schlangen sind noch häufiger hier im Westen unterwegs als gewöhnlich. Dennoch betrübt es mich, dass meine Vermutungen zutreffen. Wenn es überhaupt etwas Gutes an diesem Wald gab, dann war es die Tatsache, dass er sich seit vielen tausend Jahren keine neuen Gebiete mehr geholt hatte. Wart ihr denn wenigstens erfolgreich? Oder war Devon jener Weise, der dich mit sich nahm?“

„Nein“, antwortete Hexe, „ihn haben wir vernichtet. Und auch das Tor zu unserer Welt haben wir schließen können. Jedenfalls glaube ich das. Die anderen Drix Tschatha haben zu diesem Zweck ein Ritual durchgeführt und kurz bevor ich hindurchgestoßen wurde, sah ich noch, wie das Tor immer kleiner wurde.“

„Hindurchgestoßen? Wer hat das getan?“, hakte Anscha nach.

„Der Dorgat Nasra mit dem ich auch hergekommen bin“, gab Hexe zurück.

„Und auf wessen Befehl hat er gehandelt?“, wollte Anscha wissen.

„Auf keinen Befehl, denke ich. Ich denke er tat das aus eigenem Antrieb. Es war auch nicht irgendein Dorgat Nasra, sondern ein Professor, der über den Knochenwald geforscht hatte. Er war es auch, der Devon in unsere Welt gebracht hatte, auch wenn er wohl nicht geahnt hatte, was er damit anrichten würde. Er ist mit uns gereist, deshalb weiß ich, dass er sich ein wenig Kontrolle über seinen Körper bewahren konnte“, erklärte Hexe.

„Ein Dorgat Nasra ist mit euch gereist?“, sagte Anscha staunend, „das klingt mir nach einer höchst interessanten Geschichte. Du musst mir mehr über deine Gefährten erzählen. Und auch über jenen Weisen, mit dem du hierhergelangt bist“, sie lächelte entschuldigend.

„Ich gelobe auch, dich nicht mehr andauernd zu unterbrechen. Auch wenn man es meinem Gesicht nicht ansieht, bin ich eine alte Frau und habe die Angewohnheit zu plappern. Vielleicht hilft es mir, wenn ich meiner Kehle etwas anderes zu tun gebe.“ Sie stand auf, holte eine Glaskaraffe und zwei Knochenbecher aus einem Regal und stellte sie auf den Tisch. In der Karaffe schwappte eine rötliche Flüssigkeit, von der sie sich direkt etwas einschenkte. Ein süßer, aromatischer Duft erfüllte den Raum und überdeckte sogar den scharfen Gestank der Kerzen.

„Du auch?“, fragte sie Hexe, während sie ihren Becher auffüllte, ohne ihre Antwort abzuwarten.

„Was ist das?“, erwiderte diese.

„Ich denke, das weißt du bereits“, sagte Anscha lächelnd, „ich erkenne eine Beerenhörige, wenn ich sie sehe. Immerhin bin ich selbst eine. Niemand überlebt lange an diesem Ort, wenn er nicht an den roten Sitzen der Sträucher nuckelt.“

Sie ließ ein kurzes, trockenes Lachen erklingen. „Du weißt wahrscheinlich, dass es hier kein Wasser gibt. Die Schneidmaden enthalten etwas Flüssigkeit, wenn man sie zuzubereiten weiß und in manchen Kadavern findet sich zähes Blut. Sogar an den Markverzehrern kann man sich gütlich tun, wenn man so weit kommt. Aber wenn man ehrlich ist, wäre es Wahnsinn, die Sträucher nicht zu nutzen.“

„Sie sind aus dem Leid von Menschen entstanden“, warf Hexe, die wusste, dass sie selbst in dieser Hinsicht alles andere als unschuldig war, halbherzig ein.

Anscha nickte. „Und aus dem Leid von Tieren, was viele gerne vergessen“, fügte sie hinzu, „aber wenn wir die Beeren nicht essen oder ihren Saft trinken, macht es diese armen Geschöpfe auch nicht wieder lebendig. Außerdem schmecken sie fantastisch und wenn man schlau genug ist, die Finger von den blauen Beeren zu lassen, ist das Risiko des Konsums beherrschbar, selbst wenn die Ernte zugegebenermaßen ein wenig kompliziert ist.“

Zum Glück gelang es Hexe, sich das Erschrecken über Anschas Worte nicht anmerken zu lassen. Am liebsten hätte sie gefragt, welche Folgen der Konsum der blauen Beeren hatte, aber sie wollte sich nicht verdächtig machen. Allerdings wurde mit Anschas Bemerkung jener Verdacht bestätigt, den sie zuvor schon gehegt hatte, als sie sie sich plötzlich an einer ihr unbekannten Stelle des Waldes wiedergefunden hatte, ohne jedwede Erinnerung daran, wie sie hierhin gelangt war: Die Beeren machten irgendetwas mit ihrem Verstand. Sie hoffte nur, dass es nicht noch schlimmer werden würde.

„Trink“, forderte Anscha, die ihre Stille falsch interpretierte, „ich bin die Letzte, die dich dafür verurteilen wird.“

Gehorsam nahm Hexe einen Schluck von der roten Flüssigkeit (einem Saft aus dem Blut von Lebewesen in einem Gefäß aus ihren Knochen) und erschrak erneut, als das Getränk ihren Mund füllte. Die blauen Glasbeeren hatten fantastisch geschmeckt und nach dem, was sie über MannaRed gehört hatte, sollte das auch für die Roten gelten. Aber das hier schmeckte in etwa so, wie destilliertes Wasser: nicht ekelhaft zwar, aber vollkommen neutral, geschmacklos, freudlos.

Entsetzen stahl sich in ihren Geist, als ihr bewusst wurde, was das bedeutete: Womöglich würde sie dieser Saft ernähren können, aber die einzige Nahrung, die ihr künftig noch Freude bereiten würde, würden blaue Glasbeeren sein. Seelen. Individuen. Um sich nicht zu verraten, täuschte sie einen genießerischen Gesichtsausdruck vor. Anscha ließ sich täuschen. Zum Glück.

„Köstlich, nicht wahr? Ich finde es faszinierend, wie der Saft selbst nach so vielen Jahren nichts von seinem einzigartigen Geschmack verliert. Alles andere ja, aber er nicht“, schwärmte sie, nachdem sie selbst einen großen Schluck aus ihrem Knochenbecher genommen hatte.

„Es klingt fast als würdest du dich darüber freuen, dass Menschen das Pech hatten, dem Strauch in die Arme zu laufen“, kommentierte Hexe angewidert. Natürlich hatte auch sie davon profitiert, auf schlimmere Weise sogar, aber auch wenn sie selbst gerade nichts lieber getan hätte, als sich eine ganze Handvoll blauer Beeren in den Mund zu stecken, schämte sie sich nach wie vor dafür.

„Jetzt sei nicht so streng“, sagte Anscha, „diese Welt ist freudlos genug. Wer nicht die wenigen Glücksmomente schätzt, die sie bietet, riskiert seine seelische Gesundheit.“

Sie nahm demonstrativ einen weiteren Schluck. „Aber ich erkenne, dass du noch nicht deinen Frieden damit gemacht hast. Also lass uns über Wichtigeres reden. Deine Freunde zum Beispiel. Ich werde dich diesmal auch nicht wieder unterbrechen.“

Hexe war nun beinah froh, das Thema wechseln zu können. „Also, von dem Dorgat Nasra hatte ich dir ja schon erzählt. Sein Name war – ist – Professor Arnold Wingert. Ein Wissenschaftler. Er war einer der Wenigen, abgesehen von den Drix Tschatha womöglich sogar der Einzige in unserer Welt, der von der Existenz des Waldes wusste. Er hat Devon in unsere Welt geholt, um ihn zu untersuchen, wie ich ja bereits erzählt habe und er hat teuer dafür bezahlt. Zunächst wurde er getötet und dann von Devon als Dorgat Nasra wiederbelebt.

Dann gab es dort noch Doktor Jonathan How. Ebenfalls Wissenschaftler. Ein aufrechter Mann und ein guter Freund von Wingert, dem dieser sein Wissen über den Wald noch vor seinem Tod übermittelt hatte. Dann natürlich Christopher Gera. Einen Gesetzeshüter von zweifelhaftem Charakter, der sich im Grunde nur durch eine Kette seltsamer Ereignisse unserer Sache angeschlossen hatte, aber uns unterm Strich doch ziemlich geholfen hat. Dann war da noch Timo …“

Sie musste kurz schlucken, als sie an ihn dachte. An jenen Menschen, der er einst gewesen sein musste. Sie hatte ihn nie als Menschen kennengelernt, aber dennoch hatte früher noch eine Menge Menschlichkeit in ihm gesteckt. Bevor sie weitersprach, nahm sie aus purer Verlegenheit noch einmal einen großen Schluck von dem geschmacklosen Gebräu.

„… er und sein Bruder hatten das Pech gehabt, an Devon und Wingert zu geraten. Sein Bruder Martin ist dadurch ebenfalls zum Dorgat Nasra geworden und Timo wurde von Devon dazu gezwungen zu einem Weisen des Gebeins zu werden. Fortan hatte er den Namen Davox getragen und Devon eine Zeitlang gedient. Jedoch hatte er sich schon früh von ihm losgesagt und mir und meiner Freundin Bianca das Leben gerettet. Er – und sogar sein Bruder – haben mit uns gegen Devon gekämpft und ich habe …“

Sie überlegte, ob es klug wäre, Anscha von ihrem Verhältnis zu Davox zu berichten. Sie kannte diese Frau kaum und Vertrauensseligkeit war im Knochenwald ganz sicher keine gute Eigenschaft. Andererseits hoffte sie, dass Anscha ihr irgendwie weiterhelfen könnte, dass sie sie als Verbündete gewinnen könnte. So ein Verhältnis konnte man nicht auf einer Lüge aufbauen. Außerdem hatte diese Frau irgendetwas an sich, was es verlockend machte, ihr das eigene Seelenleben zu enthüllen. Sie hätte eine gute Psychologin abgegeben.

„… ich habe ihn geliebt“, fuhr sie schließlich fort und beobachtete Anschas Reaktion genau. Ihre Augen drückten durchaus ein wenig Missbilligung aus und sie glaubte sogar zu sehen, wie sich ihre Mundwinkel vor unterdrückter Abscheu verzogen. Doch sie hielt ihr Versprechen, sie nicht zu unterbrechen und so sprach Hexe weiter.

„Er war ein wunderbarer, selbstloser Mensch gewesen, oder auch Weiser, wenn man es genau nehmen will. Das war bis zuletzt so. Ohne ihn hätten wir Devon niemals besiegt. Aber um das zu schaffen, hat er sich jegliches verbliebenes Fleisch von den Knochen gerissen und nachdem er als nurmehr lebendes Skelett mit mir im Knochenwald gelandet war, habe ich ihn nicht mehr wiedererkannt. Aus ihm ist eine böse und herrische Kreatur geworden, für die ich keinerlei Liebe mehr empfinde und die auch selbst nicht mehr lieben kann. Manchmal frage ich mich, ob er das in Wirklichkeit nicht schon immer gewesen war. Meine Freundin Bianca hat ihn lange verachtet und ihm misstraut. Vielleicht hatte sie damit recht gehabt.“

Anscha nickte kaum merklich, blieb aber still.

„Allerdings ist auch sie inzwischen kein Mensch mehr, sondern ein halber Dorgat Nasra. Nur Mara, die Anführerin der Drix Tschatha in unserer Welt, konnte mit dem Einsatz von Geisterglanz verhindern, dass sie sich vollständig verwandelt. Ist dir die Substanz bekannt?“

„Ja“, sagte Anscha knapp.

Hexe verstummte, fuhr sich durch ihr verschwitztes grau-rotes Haar und blickte hinab auf die knöcherne Tischplatte. Von ihren alten Gefährten zu erzählen, hatte sie emotional ausgelaugt.

„Waren das alle?“, fragte Anscha, nachdem Hexe eine Weile lang geschwiegen hatte.

„Nein“, antwortete diese, „Es gab da noch Lucy. Ein Kind, das für grausame Experimente mit Schneidmadenfleisch entführt worden war.“

„Man hat das Kind damit gefüttert?“, vermutete Anscha.

„Ja“, bestätigte Hexe.

„Sehr ungewöhnlich“, kommentierte Anscha, „ich habe noch nie von so einem Fall gehört. In all den Jahren, die ich bereits hier lebe, nicht. Gelegentlich kommen natürlich auch Kinder hier hin. Sie verirren sich in verborgenen Ecken von dunklen Wäldern, lassen sich von den verlockenden Irrlichtern der verfluchten Pfade anlocken und landen an einem Ort, der ihre übelsten Albträume übersteigt. Sie alle sterben jedoch schon nach kurzer Zeit und noch nie habe ich davon gehört, dass eine von ihnen eine Made geschlachtet, geschweige denn richtig zubereitet hatte. Selbst vielen Erwachsenen gelingt das nicht. Dieses Mädchen muss wirklich bemerkenswert sein.“

„Oh das ist sie“, sagte Hexe und musste unwillkürlich lächeln, als sie an das gleichermaßen gruselige wie auch toughe und faszinierende Mädchen dachte, „Sie ist sogar so bemerkenswert, dass sie sich nicht nur aus eigener Kraft aus ihrer Gefangenschaft befreit hatte, sondern sogar die Kontrolle über eine ganze Menge von Schneidmaden und mit Madenfleisch veränderten Kindern übernommen hatte. Sie nennt sie ihre ‚Kaninchen‘ und …“

„Sie hat was?“, fragte Anscha und in ihren Augen kämpften Euphorie und Fassungslosigkeit um die Vorherrschaft, „hast du gerade ernsthaft behauptet, dass dieses Mädchen in der Lage ist Schneidmaden zu kontrollieren?“

„Das habe ich“, sagte Hexe, „und das war keine Behauptung. Es entspricht der Wahrheit. Ohne sie und diese Fähigkeit wäre es uns niemals gelungen, Devon zu besiegen.“

„Das kann unmöglich …“, flüsterte Anscha. Ihre Augen zuckten nervös hin und her, „all die Jahre …“

„Was?“, fragte Hexe, die das Verhalten von Anscha zunehmend unheimlicher fand.

„Das ist vielleicht unsere Rettung!“, platzte es aus der Frau heraus und ihre faltigen Hände ergriffen über den Knochentisch hinweg Hexes Schultern und krallten sich in ihr Fleisch. „Dieses Mädchen kann uns alle erlösen!“

„Lass mich los!“, verlangte Hexe verärgert und als Anscha nicht auf ihre Aufforderung reagierte, löste sie die altersfleckigen Krallen der Frau selbst von ihren Schultern. Sie war sich fast sicher, unter ihrem Shirt Blut zu fühlen.

„Tut mir leid.“, sagte Anscha, der ihr unheimliches Verhalten wohl gerade selbst erst bewusst geworden zu sein schien, „es ist nur … weißt du überhaupt, was das bedeutet?“

„Nein“, sagte Hexe geradeheraus, „wie sollte ich auch? Du stammelst ja nur sinnlose Wortfetzen. Erzähl mir doch einfach in klaren Worten, warum Lucy dich so in Aufruhr versetzt.“

Anscha nickte und presste beide Fäuste auf ihr junges Gesicht, so als könnte ihren dadurch zwingen, nicht zu explodieren. Gleichzeitig atmete sie ein paar mal tief ein und aus. „Also gut“, begann sie, „Die Markverzehrer sind dir ein Begriff?“

Hexe kramte kurz in ihrem Gedächtnis. „Ja“, sagte sie schließlich, „Jonathan hatet mir einmal davon erzählt. Sie leben jenseits der knöchernen Brücke, richtig?“

„Genau“, stimmte Anscha zu, „hinter dem Milchigen See und den Bergwäldern. Dort führen sie einen ständigen Krieg gegen die Weisen des Gebeins und die Markbleichen Schlangen. Wahrscheinlich sind sie einer der wenigen Gründe, warum die Weisen sich nicht noch weiter über den Wald ausgebreitet haben. Man kann sie mit Fug und Recht als die größten Feinde unserer Feinde bezeichnen, seitdem die Drix Tschatha zu einem Schatten ihrer selbst geworden sind. Sie hassen die Knochen in jeder Form – auch wenn sie unpraktischerweise dazu gezwungen sind, sich von ihnen zu ernähren – und Wesen, die praktisch nur aus ihnen bestehen, sind ihnen natürlich besonders verhasst.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie deshalb unsere Freunde sind. Ganz und gar nicht. Sie sind Geschöpfe des gefühllosen Gottes – grausam und ohne Mitleid – auch wenn ich glaube, dass er sie nicht mit Absicht erschaffen hat. Sie sind Parasiten. Zufällige Nebenprodukte. Schmarotzer an seiner Schöpfung.“

„Schön und gut“, sagte Hexe, „aber wie hängt das alles mit Lucy zusammen?“

„Nur Geduld, dazu komme ich gleich“, sagte Anscha, „wenn wir den Knochenwald vernichten und seinen Einfluss auf diese und andere Welten ein für allemal stoppen wollen, brauchen wir die Hilfe der Markverzehrer. Allerdings würde jeder Mensch, der mit ihnen Verhandlungen aufnehmen will, sofort von ihnen vernichtet, denn sie hassen uns nur unwesentlich weniger, als sie die Weisen hassen. Unsere Knochen sind ihnen zuwider. Sie spüren sie durch unser Fleisch hindurch. Schneidmaden jedoch …“

„Haben keine Knochen“, warf Hexe ein, die langsam begriff, was Anscha ihr erklären wollte.

„Exakt“, sagte Anscha, „die Maden würden von den Verzehrern nicht als Feinde betrachtet werden, was im Übrigen auch umgekehrt gilt. Zwar haben die Weisen eine begrenzte Kontrolle über die Schneidmaden, aber für ihre Angriffe auf die Markverzehrer sind sie nutzlos. Sie weigern sich schlicht gegen sie zu kämpfen. Jedenfalls helfen uns die Maden – selbst, wenn sie nicht von den Weisen kontrolliert werden würden – im Moment nicht weiter. Wenn man sie jedoch lenken und dazu bewegen könnte auf unserer Seite zu kämpfen, könnten sie sich mit den Verzehrern vereinen. Sie könnten das Patt beenden, der bereits seit Urzeiten andauert und nicht nur die Weisen vernichten, sondern auch ins Herz des Waldes vordringen und die Markbleichen Schlangen zerstören und alles, was auch immer sich dort sonst noch befindet.“

„Dein Plan hat drei Schwächen“, sagte Hexe, nachdem sie einen weiteren Schluck der geschmacklosen Flüssigkeit zu sich genommen hatte, „erstens ist Lucy – wenn schon kein wirklicher Mensch – dennoch ein Wesen mit Knochen, weswegen sie von den Verzehrern wohl kaum freundlicher behandelt werden würde als wir. Zweitens können Schneidmaden nicht sprechen, weswegen wir auch sie nicht als Unterhändler nutzen können und drittens werden die Markverzehrer sich doch mit Sicherheit gegen uns wenden, wenn ihre größten Feinde erst besiegt sind. Wie du ja selbst sagst, hassen sie Geschöpfe mit Knochen und müssen sich von ihnen ernähren, was schon zwei Gründe sind, aus denen wir ihnen nicht vertrauen können.“

„Du bist schlauer als ich dachte“, lobte Anscha sie, „das sind tatsächlich beachtliche Probleme. Allerdings keine unüberwindlichen. Was diese Lucy betrifft, so ist sie geschützt, solange sie von ihren Maden umgeben ist und wenn die Verzehrer erst einmal ihr Angebot vernommen haben, werden sie wahrscheinlich bereit sein, mit uns zusammenzuarbeiten. Sie mögen zwar hässliche, schleimige, bösartige Wesen sein, aber sie sind durchaus intelligent und erkennen eine Gelegenheit, wenn sie sich ihnen bietet. Und natürlich können wir nicht darauf vertrauen, dass wir nach einem gemeinsamen Sieg mit ihnen in Harmonie leben können. Aber auch dafür gibt es eine Lösung: Jemand muss rechtzeitig in ihre Brutstätte eindringen und sie zerstören.“

„Das klingt nicht gerade nach einer einfachen Aufgabe“, wandte Hexe ein.

„Ist es auch nicht. Aber wir müssen es versuchen, wenn der Wald nicht am Ende alles sein soll, was noch existiert“, gab Anscha zurück.

„Schön und gut“, sagte Hexe, „aber Lucy ist nicht hier und ich wüsste nicht, wie wir das ändern sollten.“

„Ich aber“, sagte Anscha, „jedoch werde ich das nicht allein tun können. Hierzu werde ich mich mit den anderen Frauen unseres Ordens beraten. Und du wirst mitkommen.“

„In Ordnung“, sagte Hexe, auch wenn ihr nicht entgangen war, dass Anscha es nicht als Frage formuliert hatte.

Plötzlich hallte ein Schrei durch den kleinen Raum. Sofort sprang Hexe auf, konzentrierte sich auf ihre Magie und suchte den Raum nach der Quelle des Schreis ab. Sie verortete ihn schließlich hinter der verschlossenen Tür.

„Beruhig dich“, sagte Anscha entspannt, „das ist Arne. Er hat in letzter Zeit häufig solche Anfälle. Wahrscheinlich liegt es an seiner schwindenden, geistigen Gesundheit.“

„Was?!“, fragte Hexe verwirrt, auch wenn ihr eine dunkle Ahnung kam.

„Ich zeige es dir“, sagte Anscha, „es wird ohnehin Zeit, dass ich wieder nach ihnen sehe.“

Anscha stand auf, schob ihren Knochenstuhl zurück, holte einen verzierten, knöchernen Schlüssel hervor und öffnete mit einer raschen Bewegung die Tür.

Auch der Raum dahinter war von Kerzen erhellt und offenbarte Hexe recht schnell, was sich in ihm verbarg. Bevor sie es jedoch genauer betrachten konnte, musste sie mit einem schier überwältigenden Schwall aus dicker, verbrauchter Luft und dem Gestank von Schweiß und Exkrementen fertig werden. Dann jedoch sah sie dort zwei Männer nackt bis auf einen schmutzigen Lendenschurz, deren Hand- und Fußgelenke mit dicken, knöchernen Ringen an die Wand gekettet worden waren.

Der linke Mann war ausgemergelt bis auf die Knochen. Seine Haare waren bis auf wenige wirre Büschel ausgefallen. Die wächserne Haut, die sich über ein kaum noch mit Muskeln bestücktes Skelett spannte, war blass und schmutzig und seine blauen Augen, die sich stumpf glotzend aus ihren Höhlen hervorwölbten, waren matte, trübe Fenster zum Herzen der Hölle. Er war es auch, von dem die Schreie ausgegangen waren, wie ein erneuter, diesmal leiserer, wortloser Schrei verriet. Hexe fand es überraschend, dass seine Kehle überhaupt noch genug Kraft besaß, um zu schreien. Der andere Mann sah etwas weniger erschreckend aus. Sein Körper war noch mehr oder weniger intakt, fast sogar muskulös und seine Haut hatte eine etwas gesündere Farbe. Jedoch fielen auch ihm bereits die Haare aus und sein Oberkörper krümmte sich immer wieder in seltsamen, wirren Zuckungen. In seinem Gesicht kämpften Schmerz, Resignation und ein erster Schimmer kommenden Wahnsinns um die Vorherrschaft. Vor allem aber erblickte sie dort Enttäuschung von einer Intensität, wie sie nur aus tiefem bedingungslosem Vertrauen entstehen konnte.

Anders als der linke Mann reagierte er auf ihre Anwesenheit und sah Anscha direkt in die Augen, auch wenn ihn das offenbar sehr anstrengte. Seine trockenen Lippen platzten auf und ließen rote Tropfen über sein Kinn laufen, als er sagte: „Ihr hattet versprochen … ihr wolltet … wir beide sollten doch … ihr meintet, dass ihr mich liebt … das Glück herrscht … ihr wolltet … Schutz geben … nicht … nicht … „

Dann kam ein erneuter Krampfanfall und er erschlaffte wieder, anscheinend unfähig weiterzusprechen.

„Was ist das!?“, fragte Hexe fassungslos, „Was zur Hölle soll das bedeuten?“

„Weißt du das etwa nicht? Ich dachte, du wärst eine Drix Tschatha“, sagte Anscha völlig ruhig und gelassen.

„Das bin ich auch!“, bestätigte Hexe, „aber von solch einer Barbarei habe ich noch nie gehört.“

„Du weißt also nicht, dass unsere Magie einen Preis hat?“, fragte Anscha.

„Doch, natürlich“, widersprach Hexe, während sie die gequälten Gestalten in der stinkenden Kammer betrachtete, „meine Jugend war der erste Preis, den sie gefordert hat. Ich bin vierunddreißig Jahre alt, auch wenn ich nicht so aussehe. Und ich weiß auch, dass es andere Quellen gibt, auf die ich ebenfalls schon zurückgegriffen habe. Tierknochen und lebendige Tiere und – wenn es nicht anders geht – auch Freiwillige. Menschen, die wissen, auf was sie sich einlassen und die dafür mit Liebe und Zuwendung belohnt werden. So etwas aber …“

„Siehst du hier irgendwo lebendige Tiere? Oder hattest du bisher den Eindruck, dass wir hier irgendeine Macht aus den Knochen ziehen können?“, fragte Anscha mit harter Stimme, „Nein“, gab sie sich gleich selbst kopfschüttelnd die Antwort, „menschliche Lebenskraft ist die einzige Macht, die uns hier irgendeinen Nutzen bringt. Und was Freiwillige betrifft: Es mag sein, dass das in der Welt funktioniert, aus der du stammst. Aber hier haben wir keine Zeit, lange um Männer zu werben, uns ihnen zu erklären und darauf zu hoffen, dass sie für etwas guten Sex und einige warme Worte auf einen Großteil ihrer Lebenszeit verzichten.

Dies ist eine feindliche Umgebung, Schätzchen. Der Wald nagt in jeder Sekunde an unseren Kräften und wenn wir seinen vielen Gefahren trotzen wollen, sind wir auf jedes Quäntchen Energie angewiesen, das wir bekommen können.“

„Also lauert ihr diesen Männern auf, sperrt sie hier in euren Vorratsschrank und hängt sie wie saftige Schinken auf?“, fragte Hexe, während ihr Blick immer wieder zu den beiden bemitleidenswerten Typen ging.

„Wie Schinken?“, fragte Anscha provokant und zog eine Augenbraue hoch, „interessante Metapher. Schweine sind auch intelligent und empfindungsfähig und mit ihnen hat man in eurer Welt wenig Mitleid, wenn ich den Berichten Glauben schenken darf. Aber bevor du dich noch weiter aufregst: Ich stelle diese Männer keineswegs auf eine Stufe mit Tieren und ich lauere ihnen nicht auf wie eine hungrige Schneidmade. Die meisten von ihnen sind verwirrt und hilflos und wenn ich oder eine meiner Schwestern sie nicht finden würden, würden sie keine Stunde überleben, bevor sie grausam verenden würden. Und tatsächlich kommen sie auch auf ihre Kosten, selbst wenn ich keine Beziehungskiste daraus mache.“

Hexe machte ein zweifelndes Gesicht und ihr Blick wanderte von Anschas schönem, jungen Kopf zu ihrem runzeligen Körper.

„Du brauchst gar nicht so angewidert zu schauen“, erwiderte Anscha, „normalerweise nutze ich immer einen Teil meiner gewonnenen Kraft zum Erhalt meiner Jugend. Männer lassen sich für gewöhnlich nicht von runzligen alten Schachteln … betören. Aber manchmal brauche ich die Energie für wichtigeres als Äußerlichkeiten und ohnehin wird es mit den Jahren immer schwerer den Alterungsprozess zu stoppen.“

„Wie alt bist du denn?“, fragte Hexe.

„Eine unhöfliche Frage“, antwortete Anscha.

„Für eine unhöfliche Frau“, erwiderte Hexe.

Anscha lachte. „Gut gekontert. Also gut. Allerdings kann ich dir das nicht mit Sicherheit beantworten, da die Zeit an diesem Ort eigenen Gesetzen folgt. Erst recht in den letzten Jahren. Womöglich liegt es aber nur an der Langeweile. Die meiste Zeit über passiert im Knochenwald nicht besonders viel. Das war früher noch anders gewesen.

Früher, als an diesem Ort die Stadt Eunigra gestanden hatte und dort noch viele Menschen und Drix Tschatha lebten, waren die Tage interessanter gewesen. Das muss jedoch viele, viele Jahre her sein. Hunderttausend womöglich. Ja, das kommt ungefähr hin. Die Stadt hat lange überdauert und als ich nach ihrem Fall dazu gezwungen war, die ersten verirrten Wanderer zu bezirzen, hatten sie noch römische Uniformen getragen.“

„Dann hast du schon viel zu lange gelebt“, sagte Hexe und gab sich dabei betont unbeeindruckt, auch wenn sie insgeheim bei aller Abscheu vor dieser Frau fasziniert war. So viele Jahrtausende. Gebirge von Jahren, Kontinente aus Tagen, Galaxien voller Stunden. Und dennoch sah zumindest ihr Gesicht noch immer frisch und jung aus. So könntest du auch aussehen, dachte sie, auch wenn sie sich für diesen Gedanken schämte. Laut fügte sie jedoch hinzu, „Du hast kein Recht, dich der Kraft dieser Männer zu bedienen.“

„Mag sein, dass ich kein Recht dazu habe und ich finde es selbst nach all den Jahrtausenden grauenhaft, dazu gezwungen zu sein. Aber wir Überlebenden haben nun mal die Pflicht zu überleben. Was glaubst du, was passieren würde, wenn wir diese Männer freiließen und freiwillig unsere Kraft und unser Leben aufgäben? Was meinst du, was dann mit der Schöpfung passiert? Ohne unsere Magie wäre der Wald längst alles, was es noch gibt und es wäre jenseits davon nie ein vorlautes Mädchen zu Frau herangereift, um mich für das zu verurteilen, was ich bin und was ich tue, selbst wenn sie es genauso tut.“

„Wie meinst du das?“, fragte Hexe verwirrt.

Anscha schüttelte den Kopf ganz so als hätte sie beobachtet, wie ein Kind etwas sehr Dummes tat. Oder sagte. „Die Maden haben sich doch nicht von selbst verbrannt, oder? Du müsstest inzwischen doch wissen, dass unsere Magie im Wald normalerweise nicht funktioniert. Dafür braucht es eine menschliche Energiequelle. Und die einzige menschliche Energiequelle in deiner Nähe waren diese beiden Herren da.“ Sie zeigte auf das hautbespannte, glotzäugige Skelett und den krampfgeschüttelten, traurigen Mann neben ihm.

„Das habe ich nicht gewusst“, beteuerte Hexe, war jedoch zugleich schockiert über diese Neuigkeit.

„Das hilft ihm jetzt auch nicht weiter“, sagte Anscha hart.

„Dann beende es!“, forderte Hexe sie auf, „beende wenigstens ihr Leid!“

„Das werde ich tun“, versprach Anscha und zeigte auf den schwächeren der beiden Männer, „zumindest bei ihm. Den anderen brauche ich noch. Als Vorrat. Ihn jedoch werde ich so bald wie möglich dem nächsten Glasstrauch übergeben.“

„Einem Glasstrauch?“, fragte Hexe fassungslos, „das ist barbarisch! Hast du etwa vor, von ihm zu …“

„Der Wald verzeiht keine Verschwendung“, unterbrach Anscha sie, „was glaubst du, woher der feine rote Saft in deinem Becher stammt?“

Als sie sah, dass Hexe ein angewidertes Gesicht machte und zu einer Erwiderung ansetzte, ergriff Anscha zornig das Wort. „Es reicht jetzt!“, polterte sie, „ich habe genug von deinen Bedenken und bigotten moralischen Erwägungen. Wenn du gehen willst, um dich an deiner ethischen Vollkommenheit zu berauschen, während du irgendwo in diesem Wald zugrunde gehst, ohne dass der Welt damit auf irgendeine Weise geholfen wäre, kannst du das gerne tun. Oder aber du vergisst dein Schwarz-Weiß-Denken und hilfst mir, Lucy in diese Welt zu bringen und diesen Ort, der deine zarte Seele derart belastet, für immer von Bosheit zu reinigen. Entscheide dich!“

Hexe dachte lange nach, blickte auf die gequälten Seelen jenseits der Tür, auf die uralte junge Frau, auf die halb gefüllten Knochenbecher auf dem Tisch. Vor allem jedoch blickte sie in ihre eigene Seele, wo die Ereignisse der letzten Zeit ein ziemliches Chaos hinterlassen hatten.

„Ich komme mit dir“, sagte sie schließlich.

Anscha lächelte zufrieden.

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