Ich habe fünf Freunde

Ich habe fünf Freunde, nicht mehr und minder
Uns vereint eine Bindung unbekannt in der Welt
Mein Herz kennt keinen Liebsten, keinen Hund, keine Kinder
Sie sind alles, was mir meine Tage erhellt

Wir mögen das Licht und doch reizt uns das Dunkel
Nachtmahre und Geister und verstohl’nes Getier
Wenn die herbstlichen Sterne am Oktoberend funkeln
Hält uns nichts davon ab uns im Rausch zu verlier’n

Wir versammeln uns festlich und verhüllen uns sorgsam
Spielen flüchtige Rollen, heben Gläser im Dunst
Drehen tanzend die Leiber zu verwunschenen Liedern
Weben gold’ne Momente zu nachtfinsterer Kunst

Jacky ist eine Schönheit, sanft und zart wie im Liede
Ihre Haare so schwarz wie der Rabe, der fliegt
Sie ist fröhlich und klug, ihr Gesicht verströmt Frieden
Während sie in den glücklichen Armen mir liegt

John lehnt lässig am Ausgang, schenkt den Raum seinen Blicken
Stumm sein Geisterkostüm Angst und Schrecken verspricht
So bescheiden und schüchtern und doch voller Tiefe
Nicht um Worte verlegen, jeder Satz ein Gedicht

Sally ist stets sehr sportlich, schneller als jeder Windhauch
Sie liegt lächelnd, entspannt in der Wanne voll Blut
Unter Spinnen und Maden und gesponnenem Plastik
Ringsum Kerzen mit ewiger, flackender Glut

Tonys Finger die ruhen, auf schwarzweissen Tasten
Schicken sphärische Klänge in die diesige Nacht
Als ein untoter Kutscher ihm die Stoffe gut passten
Die er sich hat zu Hose und Mantel gemacht

Marcy tanzt wie im Traume, dreht den Samtrock im Kreise
Ihr Parfüm so berauschend und frisch wie das Meer
Sie bezaubert Betrachter auf umfassende Weise
Ihre Hexentracht macht mir das Wegsehn so schwer

Wenn das Mondlicht einsickert in halbblinde Fenster
Wird der gnädige Hauch der Erinnerung verweht
Das allherrschende Jetzt entlässt seine Gespenster
Und zeigt mir wie’s um unseren Freundeskreis steht

Jackys Haut ist verrotet und trotzt doch dem Vergehen
Ein winziges, letztes verzweifeltes Stück
Schwarzes Stroh sprengt die Kopfhaut, kann dem Griff kaum entgehen
Ihr Gesicht verströmt Fliegen, ihre Liebe erdrückt

John bewacht streng die Türe, auf das ich nicht entkomme
Unterm Laken da bröckelt papierdünne Haut
Sein Gang ist so schnell wie die Strahlen der Sonne
Und sein Mund hat schon manch kurze Hoffnung verdaut

Sallys stinkender Saft hat das Kunstblut vertrieben
Das wir einstmals gemeinsam im Laden gekauft
Sie erhebt sich beizeiten, wie ein Dämon der Tiefen
Und verschleppt und ertränkt mich im tropfenden Lauf

Tonys Finger so staubig, liegen schief auf den Tasten
werden manchmal von sterbenden Nerven bewegt
Seine Haut spannt sich wächsern über knöcherne Lasten
Während sein schrilles Spiel meinen Schädel zersägt

Marcy tobt durch das Zimmer will mein Handgelenk greifen
Es zerquetschen, zertrümmern zu knochigem Schlamm
Ihr Geruch, er gemahnt an vergärende Leichen
Ihre Haut von den Wässern des Todes so klamm

Es war nur ein Kuchen, der alle verdammte
Aus fruchtigem Kürbis und süßer Glasur
Niemand konnte erklären, woher er wohl stammte
Doch legte sein Duft eine fesselnde Spur

Wir teilten sechs Stücke, die jeder verspeiste
Und freuten uns am so erles`nen Geschmack
Uns allen jedoch unser Lächeln entgleiste
Als die silberne Tortenfestplatte lag nackt

Worte war’n dort graviert in geschwungen Lettern
Wie geschrieben von Geistern, mit boshafter Hand
Das Aroma von alten, zerfallenen Blättern
Schmeckt‘ ich in meiner Kehle, als mein Auge sie fand

„Fünf und einer versammeln sich fröhlich zum Feste
Fünf und einer zerbrechen die heilige Ruh
Fünf und einer beflecken die heiligen Nächte
Fünf und einer sie fressen und lachen dazu

Fünf und einer verhöhnen den Frieden der Toten
Fünf und einer verzerr’n die altvordere Zeit
Fünf und einer sie legen die schmutzigen Pfoten
An die Riten, die ganz uns’ren Ahnen geweiht

Fünf und einer soll’n leiden unzählige Nächte
Fünf im Tode auf ewig als geistloses Fleisch
Und der eine erkoren zum ewigen Knechte
der soll lernen zu fürchten das geistige Reich“

Und wir lachten darüber, lachten höhnisch und zitternd
Bis nicht Tür und nicht Fenster mehr sich offentat
Fortan lachten wir nicht mehr, schrien lauthals und bittend
Ungehört und verzweifelt, doch nur für einen Tag

Dann sah ich meine Freunde keuchen, husten und fiebern
Während ihnen ihr Fleisch bei Bewusstsein zerfiel
Vom Bewusstsein blieb kaum was in rottenden Gliedern
Dafür blieb ich gesund und gehörte dem Spiel

Seitdem sterb ich und leide auf vielfache Weise
Wenn die Tür sich für eine Minute auftut
Jede Nacht schlägt die Standuhr so klagend und leise
Setzt den Startschuss für meinen vergeblichen Mut

Es ist mir nie gelungen zu fliehn in die Nächte
Nicht am ersten und nicht am zehntausendsten Tag
Doch vielleicht wär’s, wenn ich es doch einst fertigbrächte
Wohl noch schlimmer als in diesem steinernen Sarg

Vor der Tür, wo sich Kälte und Freiheit versammeln
Warten einsame Schritte auf den kampfmüden Geist
Während fünf dann hier drin weiter hilflos vergammmeln
Bliebe einer von Sechs, freundeslos und verwaist

So ertrag ich das Grauen und den Fluch fremder Mächte
Als die Strafe für Freundschaft und Lachen mit Ehr
Denn verbitterte Geister sind noch schlimmere Knechte
War’n sie doch schon zu Lebzeiten freudlos und leer

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